Eine Bauherrengemeinschaft (BHG) für Eigentumswohnungen kann eine kostensparende Alternative zum Bauträgermodell sein – erfordert aber klare Verträge, verbindliche Entscheidungsregeln und das Bewusstsein für die gegenseitige Abhängigkeit aller Beteiligten.
Eine Bauherrengemeinschaft (BHG) ist ein Zusammenschluss mehrerer künftiger Wohnungseigentümer, die gemeinsam ein Mehrfamilienhaus planen, finanzieren und bauen.
Die Mitglieder werden bereits vor Baubeginn zu Miteigentümern und entscheiden gemeinsam über alle Aspekte – vom architektonischen Konzept bis zur Bauabnahme. Dieses Modell bietet größere Gestaltungsfreiheit und potenzielle Kostenvorteile, erfordert aber auch intensive Abstimmung und trägt das Risiko der gegenseitigen finanziellen Abhängigkeit.
| Bereich | Vorteil | Konkretes Beispiel |
|---|---|---|
| Kosten | Kostenersparnis durch gemeinsame Ausschreibungen | Auftragnehmer bieten günstigere Preise für Sammel-/ statt Einzelaufträge |
| Grundstück | Geteilte Grundstückskosten | Grundstück wird durch mehrere Parteien bezahlbarer |
| Planung | Individuelle Grundrisse innerhalb eines gemeinsamen Rahmens | EG mit größerer Terrasse, OG mit größerem Balkon, individuelle Raumaufteilungen |
| Finanzierung | Gruppenfinanzierung möglich | Bank bietet bessere Konditionen, da das Risiko auf mehrere Schuldner verteilt ist |
| Bauphase | Mehr Kontrolle & Transparenz | Regelmäßige Baubesprechungen und offene Einsicht in Angebote und Rechnungen |
Alle Entscheidungen – von der Haustechnik über den Aufzug bis zur Fassadengestaltung – müssen gemeinsam getroffen werden. Dies erfordert Zeit, Geduld und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten.
Praxisbeispiel: Aufzug – OG will ihn, EG nicht
Folge: Ein einziges Nein kann das gesamte Projekt stoppen oder erheblich verzögern.
Unterschiedliche Vorstellungen über:
können schnell zu Spannungen führen.
Besonders konfliktträchtige Themen:
| Bereich | Typischer Konflikt | Mögliche Folge |
|---|---|---|
| Aufzug | OG möchte Aufzug, EG möchte Kosten sparen | Projektverzögerung, Neuplanung der Kostenverteilung |
| Parken | Tiefgarage vs. Außenstellplätze vs. Garage | Unzufriedenheit mit Komfort oder Optik, höhere Kosten |
| Energie | Wärmepumpe vs. Gasheizung | Diskussionen über Investitionskosten und laufende Betriebskosten |
| Schallschutz | Holzböden im OG vs. Trittschall im EG | Dauerhafte Konflikte zwischen Nachbarn, nachträgliche Sanierungen |
| Dach | Dachgauben, Loggien, PV-Anlage | Planungs- und Genehmigungsaufwand, Mehrkosten, ästhetische Differenzen |
Was passiert, wenn ein Mitglied ausfällt?
Fällt eine Partei während Planung oder Bau aus (z. B. Finanzierung platzt, Zahlungsausfall, Insolvenz), gilt:
Die übrigen Bauherren müssen die fehlenden Kosten zunächst übernehmen.
Andernfalls droht ein Baustopp oder sogar der komplette Projektabbruch mit erheblichen Verlusten.
Typische Lösungsansätze im Vertrag:
Alle baurechtlich, statisch oder technisch wesentlichen Punkte:
⚠️ Ein einziges Nein kann das gesamte Projekt stoppen.
Nicht-baukörperrelevante Entscheidungen, z. B.:
Mehrheitsarten können sein:
Die genaue Regelung muss im Gemeinschaftsvertrag festgelegt werden.
| Entscheidung | Beispiel | Regel |
|---|---|---|
| Aufzug | Neuplanung eines Aufzugs für OG-Wohnungen | Einstimmigkeit (baurelevant, Baukörper & Kosten) |
| Heizungssystem | Gasheizung vs. Wärmepumpe | Einstimmigkeit (zentrale Gebäudetechnik) |
| Dachgestaltung | Gauben, Loggien, PV-Anlage | Einstimmigkeit (Optik, Statik, Genehmigung) |
| Außenanlagen | Spielplatz, Bepflanzung, Sitzbereich | Mehrheit (nicht baurelevant) |
| Außenanlagen | Gemeinschaftliche Nutzung Grundstück | Mehrheit (nicht baurelevant) |
| Treppenhausgestaltung | Farben, Bodenbelag, Beleuchtung | Mehrheit (innerhalb eines definierten Budgetrahmens) |
Hinweis: Nutzen Sie diese Checkliste als praktische Arbeitshilfe. Gehen Sie Punkt für Punkt durch und prüfen Sie, was bereits geklärt ist. Alle offenen Punkte sollten vor einer verbindlichen Entscheidung mit allen Beteiligten sowie fachlicher Beratung (Rechtsanwalt, Steuerberater, Projektsteuerer) besprochen werden.
Eine Bauherrengemeinschaft ist kein Selbstläufer, sondern ein Gemeinschaftsprojekt mit besonderen Anforderungen. Sie bietet große Chancen durch Kostenvorteile, individuelle Gestaltungsfreiheit und hohe Transparenz. Gleichzeitig ist sie eine finanzielle und zwischenmenschliche Herausforderung, die klare Regeln und professionelle Begleitung erfordert.
Für wen eignet sich eine Bauherrengemeinschaft?
Für gut organisierte, kompromissbereite Menschen mit ausreichend Zeit und Budgetpuffer,
die bereit sind, Verantwortung zu teilen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.
Für wen ist sie weniger geeignet?
Für Menschen, die Streit scheuen, wenig Zeit für Abstimmungen haben oder kein finanzielles Polster für unvorhergesehene Kosten.
Wer die Herausforderungen annimmt, kann deutlich günstiger und qualitativ hochwertiger bauen als über einen Bauträger.
Wer die Risiken unterschätzt, landet dagegen schnell in einer finanziellen und zwischenmenschlichen Falle.